Iran – Sandsturm zum Geburtstag
Liebe Oma,
ich bin im Iran gelandet und hier muss mein Bambus-Fatbike nun zum ersten Mal wirklich zeigen was es kann. Ich bin so schnell wie möglich in die Dasht-e-Kavir Wüste südlich von Teheran gefahren und hab auch schon erfolgreich den Checkpoint umgangen, an dem man mich nicht in die Maranjab-Wüste passieren lassen wollte, den Teil der Dasht-e-Kavir mit wunderschönen Sanddünen, direkt angrenzend an einen scheinbar endlosen Salzsee. Auf der Schotterpiste sei es wegen schnell fahrenden Autos zu gefährlich mit dem Fahrrad, ich solle die Parallelstraße nehmen. Die führt laut meinem GPS aber nicht dahin, wo ich hin möchte. Also nehme ich sie für einen halben Kilometer und kreuze dann durch den Wüstensand rüber auf die Straße, die ich eigentlich fahren möchte. Ich strample etliche Kilometer insNiemandsland, dann nimmt mich ein älterer Herr auf seinem Pick-up bis zur Karawanserei mit. Dort angekommen, bedanke ich mich und möchte weiter fahren, als rauskommt, dass er Geld für die Mitnahme möchte. Mein Fehler, ich hab nicht klar gemacht, dass ich kostenlos mitfahren möchte, und Trampen ist im Iran oft ein Taxiersatz, weshalb dabei meist Geld fließt. Ich frage nach dem Preis, und da wittert er seine Chance und möchte auf einmal für 10 km eine Summe, mit der ich mit dem Bus einmal durch den halben Iran fahren könnte. Schließlich sei es eine Schotterpiste, meint er, das koste mehr. Ich biete ihm einen angemessenen Peis, mit dem er aber nicht zufrieden ist und so lehnt er ab, möchte gar nichts, und fährt weiter in die Wüste. Mit einem unguten Gefühl, das solche Begegnungen immer mit sich bringen, radle ich der Staubwolke seines Autos hinterher, zuerst weiter auf der rauen Schotterpiste, dann auf einem sandigen Track immer weiter in Richtung der hohen Dünen der Maranjab-Wüste am Horizont. Wie erhofft wird mein Fatbike spielend mit dem Gelände fertig, und ich bin überglücklich, was mich die Begegnung von vorher schnell wieder vergessen lässt. Die Karawanserei ist nur noch klein am Horizont erkennbar und auch das letzte Camp, wo Touristen Wüstenbuggy fahren können, habe ich schon vor längerer Zeit hinter mir gelassen. Es ist mein 32. Geburtstag, und den möchte ich in grandioser Kulisse der Dünen mit Blick auf den Salzsee feiern. Die Sonne nähert sich dem Horizont als ich den perfekten Lagerplatz erspähe, eine kleine Bucht in den Dünen, in der ich mich schon vor meinem Zelt gemütlich einen Sandkuchen backen sehe. Ich montiere die Kamera aufs Stativ um meine Ankunft an diesem schönen Ort zu filmen, als schlagartig ein Sandsturm über mich hereinbricht, wie ich es noch nie erlebt habe. Das Stativ wird sofort umgeweht und die Kamera schlägt im Sandboden auf. Schnell packe ich sie weg, Zeit zum Testen ob sie noch funktioniert, bleibt nicht, denn der Wind peitscht mir sowohl die Sandkörner, die in Schwaden von den Dünenkämmen herunterwehen, als auch dicke Regentropfen erbarmungslos ins Gesicht und weiter auf die endlose Fläche des Salzsees. Die Regenjacke zu holen, dauert zu lange, also ziehe ich schnell mein T-Shirt aus und verstaue es im Trockenen der Tasche. Schließlich ist es mein einziges. Wenn der Regen aufhört, möchte ich es wieder anziehen, ohne dass es nass und voller Sand ist. Als mir der Wind Regen und Sand gleichzeitig auf meine nackte Haut jagt, wird mir schlagartig bewusst, wie klein und verloren der Mensch in so einer Landschaft ist. Jetzt die Nerven bewahren. Welche Möglichkeiten habe ich? Entweder ich setze mich einfach hin, lege die Zeltplane über mich und harre die Nacht über aus bis zum nächsten Morgen oder zumindest bis der Sturm sich legt. Ich kann auch versuchen, das Zelt aufzubauen, oder ich könnte durch den Sturm zum letzten Camp zurückfahren. Ich entscheide mich für das Zelt, denn den letzten Funken Hoffnung auf einen einigermaßen komfortablen Geburtstag möchte ich noch nicht aufgeben. Nachdem ich dann aber eine halbe Stunde später mehrmals meinem Innenzelt hinterhergerannt bin, sich mein Aluminiumgestänge vom Wind komplett verbogen hat und ich zwei Heringe durch den Tumult nicht mehr auffinden kann, glaube ich nicht mehr wirklich daran, dass mein Zelt mich sicher durch die Nacht bringen kann. Ich packe es zusammen und verstaue alles auf meinem Fatbike. Ich will meinen Geburtstag nicht im Sandsturm kauernd im Niemandsland verbringen. Ich ziehe die Regenjacke an, und im letzten Licht und dann im Schein der Stirnlampe fahre ich durch dieNacht zurück Richtung Camp, immer gegen den Wind, der mir die nassen Sandkörner erbarmungslos ins Gesicht treibt. Vielerorts kann man die Sandpiste kaum erkennen und ich komme nicht nur einmal vom Weg ab. Bisher war das Tracken der Strecke nur Spielerei, jetzt wird das GPS lebensnotwendig. Falls das GPS ausfallen sollte, habe ich mir genau die Vegetationslinie am Fuße der Dünen eingeprägt, an der ich mich orientieren kann um zurück in die Zivilisation zu finden. Falls selbst das schief geht, habe ich notfalls noch mein SPOT-Gerät, um per Knopfdruck Hilfe zu rufen. Aber den Gedanken verwerfe ich sofort wieder. So weit wird es nicht kommen, ich habe genug Sicherheitsvorkehrungen getroffen und bin sowieso noch viel zu nah an der Zivilisation, als dass ich mich nicht selbst aus der Misere befreien könnte. Mein Bike interessiert sich nicht großartig für die Elemente. Langsam aber sicher pflügt es durch den Sand in Richtung Camp, wo ich nach einer gefühlten Ewigkeit erschöpft aber erleichtert ankomme. Aber auch mit einem unguten Gefühl. Denn zwischen der Karawanserei und dem Nichts in der Wüste gab es nur dieses Camp. Ich hoffe, dass es über Nacht verlassen ist, sodass ich einfach Unterschlupf bei den Buggys finden kann. Dann aber höre ich Stimmen. Also mache ich mich bereit, mir höchstwahrscheinlich die Blöße zu geben, denn die Chance, dass der Pick-up Fahrer vom Vormittag hier ist, ist groß, denn wo sonst sollte er sich hier mitten im Nichts der Wüste befinden? Ich habe keine andere Wahl und mache mich bemerkbar. Ein junger Mann kommt zu mir raus und erlaubt mir sofort, mich unter die Plane bei den Buggys zu legen, wo ich mein Nachtlager einrichte, nachdem er wieder im Zelt verschwunden ist. Dann macht meine Ankunft in den Zelten die Runde und mein Pick-up Fahrer erscheint mit einem weiteren jungen Mann bei mir und den Buggys. Es wird nicht viele mit einem Bambus-Fatbike geben hier draußen, weshalb ihm wohl gleich klar gewesen sein muss, wer ich bin. Er erkennt mich und bittet mich sofort rein ins Zelt. Höflich lehne ich ab, nach dem was heute Vormittag war. Daraufhin werde ich am Arm in ein Zelt gezogen, wo ich schlafen soll. Geschützt vor Wind und Regen schlafe ich ein. An meinen Geburtstag denke ich nicht mehr wirklich, auch wenn ein trockener Schlafplatz für die Nacht wohl das beste Geschenk war, das ich in der Situation bekommen konnte. Als sich die ganze Truppe am nächsten Morgen in „meinem“ Zelt versammelt und ich dort noch zum Frühstück eingeladen werde, bemerke ich, dass ich im Küchenzelt genächtigt habe. Meine nagelneue Schlafmatte hat nun zur Erinnerung an die Nacht gleich mehrere Fettflecken auf der Unterseite. Aber das interessiert mich relativ wenig. Kamera und Objektiv kaputt, Zeltgestänge nicht mehr verwendbar, was machen da noch ein paar Fettflecken?
Um die Situation vom Tag davor wieder gutzumachen, lege ich eine größere Summe Geld in meine Hand, als ich mich von dem älteren Herrn verabschiede. Sofort gibt er es mir mit sichtlich empörtem Blick zurück. Ich war sein Gast heute Nacht. Und Gastfreundschaft wird hoch gehalten im Iran, es ist fast schon etwas Heiliges. Ein klein wenig beschämt aber vor allem beeindruckt von der Geste des Mannes radle ich über den Salzsee zurück in die Zivilisation. Denn nun muss ich zuerst mein Zelt wieder auf Vordermann bringen bevor ich mit meinem Bike wieder in die Wüste aufbrechen kann. Die letzten Kilometer nach Kashan werde ich von einem Sattelschlepper mitgenommen. Ich habe meine Lektion gelernt, und so sage ich dieses Mal gleich, dass ich kostenlos mitfahren möchte.
Liebe Grüße aus dem Iran!
Dein Thomas
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